Leuchtturm „Alte Weser“
Nachdem die Untersuchungen des Bauzustandes des Leuchtturms Roter Sand abgeschlossen waren, ergaben sich umfangreiche Schwierigkeiten zur Sicherung der Turmsubstanz und vor allem wäre ein weitgehender Umbau des Turmes erforderlich gewesen, um die neuen Navigationstechniken aufzunehmen. Trotzdem wurde ein umfassender Entwurf aufgestellt. Davon unabhängig ist aber auch die Möglichkeit zum Ersatz des Turmes Roter Sand durch einen Neubau sorgfältig geprüft worden, der die seezeichentechnischen und sozialen (Besatzung) Forderungen berücksichtigte. So war ein in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht eindeutiger Vergleich möglich.
Nach genauer sorgfältiger Prüfung durch die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Bremen und dem Bundesverkehrsministerium fiel die Entscheidung zugunsten des Neubaus.
Durch den Bau der Radarkette der Außenweser wurde der Bau des Leuchtturmes „Alte Weser“ erforderlich. Der Turm ist als Ersatz 1883/85 erbauten Leuchtturmes Roter Sand von der Arbeitsgemeinschaft Holzmann AG und Hermann Möller errichtet worden. Der zur Ausführung bestimmte Sonderentwurf stammt von dem Bremerhavener Dipl.-Ing. Andreas Carstens. Die Stahlkonstruktionen wurden ab Januar 1961 in Kiel bei den Howaldtwerken gefertigt. Für den Transport zur Wesermündung , sowie als Arbeitsplattform, kam eine Hubinsel zum Einsatz.
Schon beim Absetzen der 8 Hubinselbeine auf der Baustelle, wo 11 m Wassertiefe standen, gab es kritische Stunden und die Versorgung der Insel stellte von Beginn der hohe Anforderungen an alle Beteiligten. Die rund 600 t schwere Konstruktion des Stahlmantels war erfolgreich auf die vorgeschriebene Tiefe von ebenfalls 11 m in den Meeresbogen abgesenkt und der 5 m dicke Unterwasserbeton eingebracht worden, als sich bei der Fortführung der Arbeiten in dem inzwischen ausgepumpten Turmschaft am 28. Juli 1961 bei stürmischen Winden und hoher See ein folgenschwerer Unfall ereignete. 8 m unter dem Wasserspiegel brach der Stahlmantel, und die mit großer Gewalt eindringenden Wassermassen rissen zwei Arbeiter in den Tod.
Die Arbeiten mussten unterbrochen und die noch brauchbaren Teile des Turmschaftes geborgen werden. Im nächsten Jahr wurde 75 m neben der alten Baustelle von neuem begonnen. Die gesamte Baustelleneinrichtung mit Maschinen, Betoniergeräten, Hebezeugen, Büros und Unterkünften für 50 Handwerker und Ingenieure war wiederum auf der Hubinsel untergebracht, die auch genügend Material und Vorräte für die Versorgung der Baustelle aufnehmen musste. Trotz abermals schlechten Wetters konnte zügig gearbeitet werden. Nach 4 Monaten stand der Turmschaft festgegründet und mit Stahlbeton ausgefüllt, sicher im Meeresboden. Aber ganz reibungslos lief auch dieses Baujahr nicht ab. Am 18. August 1962 versagte plötzlich ein Teil der Hubeinrichtung, so dass der Ponton an den Beinen abrutschte, diese zum Teil verbog und sich, 1:10 geneigt, festklemmte. Zum Glück wurde niemand verletzt. und durch rastlosen Einsatz aller und mit Hilfe einer zweiten, kleineren Hubinsel konnte die gefährliche Lage ohne Beschädigung des bis dahin erstellten Bauwerks gemeistert werden. Dagegen erzwang die notwendige Reparatur der Hubinsel, die nach Kiel abgeschleppt werden musste, erneute eine Unterbrechung der Bauarbeiten bis zum nächsten Frühjahr.
Im März 1963 wurde die Hubinsel erneut an der Baustelle eingesetzt. Sie trug auf ihrer Plattform die 380 t schweren und 18 m hohen Obergeschosse, ein fünfgeschossiges Bauwerk von beachtlichen Ausmaßen. Die Stahlbetonarbeiten im Turmschaft wurden fortgesetzt, und im Mai kletterte die Hubinsel an ihren Beinen noch 8,5 m höher, bis die Obergeschosse in Höhe des Turmschaftes standen. Das Verschieben der Obergeschosse sowie das Aufsetzen und Verbinden mit dem Turmschaft erforderten höchste Aufmerksamkeit und Präzision und verdienen als außergewöhnliche Ingenieur- und Arbeitsleistung besondere Beachtung. Die restlichen Stahlbetonarbeiten und das Herstellen der Stahlbetonkragplatte für die Maschinenfundamente bildeten den Abschluss der Roharbeiten. Am 30. Mai 1963 wurde auf der Seebaustelle eine schlichte Richtfeier abgehalten, bei der in würdiger Form der zwei Jahre zuvor verunglückten beiden Arbeiter gedacht wurde. Kurz darauf konnte die Hubinsel abgezogen werden. Sie hatte ihre Aufgaben als Transport- und Baugerät in drei Bausommern unter schwierigen Umständen erfüllt.
Das Turmbauwerk hat 11 m Gründungstiefe und 11 m Wassertiefe bis zur Radarantenne eine Gesamthöhe von 62 m. Im Turmschaft eingebaut sind der Pegelschacht mit Schwimmerpegel und Wasserstandsanzeiger, Behälter für Dieselöl. Heizöl und Trinkwasser. Eine den Pegelschacht umschließende Wendeltreppe führt von den rund 9 m über dem Wasserspiegel liegenden und mit schweren, wellendrucksicheren Türen verschlossenen Eingängen in die Obergeschosse.
Das unterste Deck enthält die Wohn- und Sozialräume. Sieben Schlafräume mit je zwei Kojen und fließendem Warm- und Kaltwasser sind vorhanden. Die ansprechend ausgestatteten Räume bieten sowohl der Besatzung als auch Arbeitskräften für Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten Unterkunft. Den größten Platz in dem nächsthöheren Deck, dem sogenannten Maschinendeck, nimmt der Maschinenraum ein. der eine 100-kVA-Hochspannungsschalt- und Umspannanlage sowie Notstromaggregate von je 60 kVA Leistung enthält. Zur Stromversorgung dient ein 6000-Volt-Seekabel, das von dem an das Festland angeschlossenen Leuchtturm „Robbenplate“ über den Leuchtturm „Tegelerplate“ bis an den Leuchtturm „Alte Weser“ über die Sände und durch die Stromrinnen verlegt wurde. Bei Stromausfall springen die Aggregate selbsttätig an und liefern in 4 Sek. vollen Strom. Außerdem Maschinenraum enthält das Maschinendeck eine Werkstatt, einen Laborraum, einen Funkraum sowie Küche und Messe. Über dem Maschinendeck liegt mit freier Rundsicht und breitem Freideck der Dienstraum mit den in Pulten eingebauten Schalt- und Überwachungstafeln. Das nächste Deck enthält elektrische und elektronische, vor allem die zur Radaranlage gehörenden Hochfrequenzgeräte sowie ein Bildschirmgerät zu Prüfzwecken.
Eine Wendeltreppe führt in die Laterne, die zur ununterbrochenen Betriebsbereitschaft zwei gleichartige Leuchtfeuereinrichtungen übereinander enthält. Bei Ausfall der einen Anlage schaltet sich selbsttätig die zweite ein. Zwei Lichtquellen, lichtstarke Hochleistungs-Xenon-Lampen von 1600 Watt, stehen übereinander, jede wiederum umgeben von einer katadioptrischen Gürtelleuchte von 400 mm Brennweite. Durch die Optik werden die Lichtstrahlen so gebrochen, dass sie sämtlich parallel gerichtet werden und als hohes Lichtband nur horizontal austreten. So wird eine viel größere Lichtstärke erreicht, als die Lichtquelle sie allein erzeugt. Die Tragweite beträgt 28,5 Seemeilen. Jede Optik ist umgeben von einem Kranz senkrecht stehender, jalousieartiger Lamellen, sogenannter Otterblenden, die in den verschiedenen Sektoren durch elektrische Drehmagnete in bestimmten Takten geöffnet und geschlossen werden. Dadurch entstehen sektorenweise die voneinander verschiedenen Kennungen des Leuchtfeuers, das sind unterschiedliche Folgen von Lichtblitzen in gerader und ungerader Zahl. Sie teilen das Leuchtfeuer in Leitsektoren und Warnsektoren ein.
Das Dach des Turmes ist als sog. Radardom ausgebildet, der die Antriebsvorrichtung für die Drehantenne enthält. Sie wird noch überragt von dem UKW-Funkmast, dessen Spitze 45 m über dem Wasserspiegel liegt. Zur Abgabe von Bebel-Schallzeichen ist der Turm mit einem elektrischen Membransender ausgerüstet, der einen mit Kennung versehenen, horizontal gebündelten Luftschall erzeugt. Das Schallzeichen dient bei Nebel und unsichtigem Wetter der Schifffahrt zur Orientierung und dem Turm als Schutz.
Eine vierköpfige Besatzung, die alle zwei Wochen abgelöst wurde, versah bis 1972 den Dienst auf dem Turm, der dann an die Fernsteuerung angeschlossen wurde.
Aufgrund von morphologischen Veränderungen wurden am 1.3.2019 die Sektoren wir folgt geändert:
Grün 18 Meilen 074° - 118° geändert in 074° - 121°; Weiß 23 Meilen 118° - 123° geändert in 121° - 126°; Rot 19 Meilen 123° - 140° geändert in 126° - 140°. (Quelle: BfS 36/19 1.3.2019 WSA Bremerhaven)
Quellen: WSA – Echo, Betriebszeitung des Wasser- und Schifffahrtsamtes Bremerhaven 60. Ausgabe: September/Oktober 2009;
Leuchttürme und Baken der Außenweser 1832 bis 2005 von Rolf Seedorf
Archiv Wasser- und Schifffahrtsamt Bremerhaven
Bildquelle Radarkette: http://www.luv-bremen.de/index.html?http://www.luv-bremen.de/revier/revier.html
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